57. Arcobräu Urfass
Zum Abschluss des Reinheitsgebots-Pakets gibt es nochmal einen richtig edlen und prominenten Vertreter seiner Art. Denn das Urfass aus dem niederbayrischen Hause Arcobräu geht nicht nur auf eine lange adelige Geschichte und Tradition zurück, sondern ist bis heute wahrlich royal geführt.
Der Beginn wird auf 1567 datiert, als Johann Albrecht Graf von Preysing die Mooser Brauerei von seinem Schwiegervater Stephan Trainer übernahm. 1789 erfolgte die Grundsteinlegung der heutigen Braustätte. Die in 1887 eingeleitete Mechanisierung erreichte 1993 bzw. 2006 ihren vorläufigen letzten Höhepunkt mit der Installation einer eigenen Hefezucht- respektive der Inbetriebnahme einer Entalkoholisierungsanlage. Vor 190 Jahren erfolgte aber bereits der erste Weißbier-Brauversuch und 1910 wurde schon das erste Helle gebraut. 1922 nach dem ersten Weltkrieg errichtete die damalige Schloßbrauerei Moos dann das erste Festzelt auf dem Straubinger Gräubodenfest.
In den Wirren des zweiten Weltkriegs erfolgte schließlich die Übernahme des Hauses Preysing von den Arcos. Nach dem Tod des Grafen Kasper von Preysing trat 1940 seine Schwester Maria Theresia Gräfin von und zu Arco-Zinneberg (geborene Gräfin von Preysing-Lichtenegg und Moos und Enkelin vom letzten bayrischen König Ludwig III.) das Brauerei-Erbe an. 20 Jahre später fasste Graf Ulrich Philipp von und zu Arco-Zinneberg sämtliche Brauereien, die bis dato im Besitz der gräflichen Familie stand, unter dem bis heute gültigen Namen Arcobräu in dem Mooser Stammhaus zusammen.
Das Zeichen der neuen Marke wurde das Familienwappen der Grafen von und zu Arco-Zinneberg. Dieses bildet den Doppeladler des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation ab, da der damalige Kaiser Sigismund 1415 die Reichsunmittelbarkeit und den erblichen Grafenstand an die Familie der Grafen Arco verlieh. Zudem zeigt es die stilisierte Burg Arco vom Ursprungssitz der Arcos am Gardasee. Dieses Symbol der Grafschaft Arco in Nord-Italien wurde übrigens bereits von Albrecht Dürer auf seiner Italien Reise in einem Aquarell festgehalten und befindet sich heute im Louvre in Paris.
Heute wird die Brauerei (Ausstoß 2010: 140.000 hl) im Übrigen von Riprand Graf von und zu Arco-Zinneberg sowie seiner Kaiserlichen Hoheit Marie Beatrice, Erzherzogin von Österreich geführt. Nicht nur adelig, sondern wahrlich royal eben…
Unter dem Motto:
„Bewährtes bewahren, ohne den Fortschritt aus den Augen zu verlieren“
hat sich das Brauunternehmen und seine Angestellten folgenden 7 Leitlinien verschrieben:
- Freiheit durch Unabhängigkeit
- Persönliche Verantwortung
- Einzigartige Vielfalt
- Höchste Qualität
- Saubere Umwelt
- Echte Tradition
- Gelebte Heimatverbundenheit
„Tradition hat nicht nur etwas mit dem Alter zu tun, sondern auch mit der Einstellung. Als privat geführte Brauerei wird unser Handeln nicht vom Aktienkurs bestimmt, sondern von den Wünschen und der Zufriedenheit unserer Kunden. Wir fühlen uns den Menschen unserer Region persönlich verpflichtet. Ob als Arbeitgeber, als Förderer der regionalen Wirtschaft oder als Garant für niederbayerische Brautradition mit ihrer Geschmacksvielfalt an regionalen Bier-Spezialitäten.“
Bei dieser wirklich außerordentlichen Historie und Einstellung bin ich gespannt, ob auch das Bier einen Adelstitel verdient hat.
Steckbrief
Bewertung
- Flaschendesign + Kronkorken
Fast schon erwartbar war das eher traditionelle und unaufgeregte Flaschendesign. Wahrlich kein Ausreißer nach oben aber gespickt mit feinen Details wie dem schon beschriebenen Adelswappen. Auch die Angabe der Stammwürze auf der Rückseite finde ich außerordentlich. Unter der silbernen Glanzfolie des Kronkorkens verbirgt sich übrigens tatsächlich das edle und traditionsreiche Familienemblem.
- Aussehen
Auch hier gibt es keine Überraschungen. Für ein Helles gewohnt hell und klar. Der Schaum ist zwar zufriedenstellend aber wenig haltbar.
- Geruch
Hier ist dann schon die erste Besonderheit spürbar. Im Vergleich zu anderen Hellen deutlich hopfiger, wenig malzig und leicht fruchtig im Geruch.
- Geschmack
„Würzig im Geschmack mit einer besonders abgerundeten Bittere“ wird das Urfass beschrieben. Und tatsächlich kann ich dem beipflichten. Für ein Helles ungewöhnlich bitter und wenig malzig-süß. Eigentlich ähnelt es eher einem Export. Trotz der relativ großen Bitterkeit ist es aber jederzeit sehr süffig.
- Fazit
Das Urfass soll auf die lange traditionsreiche Braugeschichte des Hauses hindeuten. Leider werden durch die Bezeichnung als helles Bier hier falsche Erwartungshaltungen erzeugt. Denn klassisch hell ist dieses Bier wohl nicht. Da sei wohl eher auf das Mooser Liesl oder das Schloss Hell zurückzugreifen. Auch die web-seitige Beschreibung als „vollmundig süffig“ muss ich als klassischen Fauxpas werten, der einer versierte Brauerei nicht passieren dürfte. Nichtsdestotrotz habe ich es hier mit einem überdurchschnittlichen Bier aus privater Brauhand zu tun, welches durch seine besondere Verknüpfung von Bitterkeit und Süffigkeit besticht. Einschließlich eines Sonderpunktes für besondere Geschichtsträchtigkeit erhält das Arcobräu Urfass von mir in Summe deshalb 12 Pkt. (2+).
Für weitere Infos zur Brauereigeschichte und zur Familienchronik der niederbayrischen Grafen und österreichischen Erzherzögen mit heiliger, römischer und deutscher Tradition unter http://www.georgenbraeu.de/home-62.html.
Prost Reinheitsgebot!