238. Gentse Gruut Amber Ale
Mit dem heutigen Bier kommt es zu einer weiteren Bierjubiläum-Premiere: Meine erste Rezension eines hopfenfreien Bieres.
Aber wie kann das überhaupt ein Bier sein: Gehört doch in jedes Bier stets Wasser, Getreidemalz, Hefe und eben Hopfen?! Was heute so selbstverständlich ist und auch im sog. Reinheitsgebot wie zementiert erscheint, war jedoch nicht immer so. Bis zum 14. Jahrhundert – so vermuten Bierforscher – wurde jedes Bier mit einer Mischung aus verschiedenen Kräutern (und im Übrigen Hafer als Hauptbiergetreide) gebraut. Diese waren dann von den regionalen Gegebenheiten der jeweiligen Flora abhängig. In der Hauptsache fanden vor allem Porst und Gagel Anwendung, aber auch Schafgarbe, Heidekraut, Beifuß, Rosmarin, Thymian, Salbei, Lorbeer, Mädesüß, Anis, Kümmel, Wacholder, Koriander, Fichtensprossen oder Wermut wurden verbraut. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts entdeckte man in größerem Umfang den Hopfen zunächst als ein weiteres Kraut, welches man dem Bier zusetzte. Durch seine Eigenschaften der Haltbarmachung, Stabilisierung und stärkerer Aromatisierung gelang es dem Hopfen dann aber in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten die weiteren (teils auch giftigen) Kräuter aus dem Bier zu verdrängen. Auch der Aspekt, dass Hopfen günstiger als die anderen Bierwürzen war und dass man diesen einen heidnischen Kult nachsagte begünstigten die Entwicklung. Als dann schließlich im Laufe der Jahrhunderte 15 und 16 die Rezepturen des Bierbrauens stärker reglementiert wurden, bedeutete das zumindest in weiten Teilen Mitteleuropas das Ende der Bierkräuter. Erst in den letzten Jahren entdeckten vor allem die Kreativbrauer die Liebe zu Kraut/Grut wieder. So gibt es inzwischen zum Glück wieder mehrere Duzend hopfenfreie aber kräuterhaltige Biere auf dem weltweiten Biermarkt.
Das heutige Grutbier kommt aus dem belgischen Gent in Flandern und ist ein Produkt der Gentse Stadsbrouwerij Gruut, welche sich nach Gründung in 2009 intensiv Bieren mit alternativen Getreiden (wie Dinkel oder Hirse) aber vor allem auch hopfenfreien Bieren widmen. Nach langer Entwicklungszeit werden dort inzwischen regelmäßig fünf verschiedene Grutbiere gebraut; sodass man auf Basis dieser Erfahrungen zu Recht sagen kann, dass sich dort ein regelrechtes Grutbier-Zentrum entwickelt hat.
Übrigens: Während heutzutage Bier anhand des Alkoholgehalts besteuert wird, wurde es bis ins Mittelalter anhand der Menge und Zusammensetzung der Kräuter im Bier abgegolten.
Steckbrief
Stil. . . . . . . . . . . . . . . Amber Grut Ale
Brauart. . . . . . . . . . . obergärig
Zutaten. . . . . . . . . . . Gerstenmalz, Kräuter, Hefe
Stammwürze. . . . . . –
Alkoholgehalt. . . . . . 6,6%
Herkunft. . . . . . . . . . . Gent / Belgien
Erscheinungsjahr. . . 2009
Bewertung
- Flaschendesign + Kronkorken:___10
- Aussehen:____________________13
- Geruch:______________________14
- Geschmack:__________________13
Fazit
Geruch: waldig, würzig, blumig, röst- & karamellmalzig, süßlich, weich
Geschmack: dunkel, karamellmalzig, leicht röstig, leicht bitter, waldig-würzig, mittelgroßer Körper, spritzig, süßlich-herber Abgang
Gesamt: Wahrlich ein sehr sehr interessantes Bier. Geschmacklich dominieren die karamell-röstige Süße, die leichte Bittere und die waldige Würze. Doch irgendwie hat das Bier mehr. Zwischen den Zungenknospen blitzen immer wieder unbeschreibliche Geschmacksnuancen auf. Ein Bier, das ich so in dieser Form noch nie getrunken habe und auch schwer zuordnen kann. Leider bleibt (wahrscheinlich aus betrieblichen Gründen) die Kräuterzusammensetzung verborgen, aber der Unterschied zu einem (klassischen) Hopfenbier ist schon erkennbar, wenn auch nicht deutlich. Für etwas experimentierfreudige Bierliebhaber auf jeden Fall empfehlenswert und für mich ein weiterer Anwärter auf die Top Ten des Jahres. Alles in allem bewerte ich das Bier nämlich mit starken 13,5 Pkt. (1(-)).
Weitere Infos zum Bier unter: http://www.gruut.be/en/Bieren/Index/95/gentse-gruut-amber.
Prost!