November 5 2017

264. Colbitzer Edel

Im Rahmen meiner Reformations-Jubiläums-Bierwoche war ich auch auf der Suche nach authentischem Bier aus Mitteldeutschland. Zwar war mir schon zu Beginn klar, dass dort die Brauereidichte nicht sehr groß ist und es somit kein sehr großes Angebot gibt, aber es war sogar noch weniger als befürchtet. Zumindest online ist die Beschaffung von Bieren aus dem Zentrum unseres Landes enorm schwierig. Für Sachsen-Anhalt – der zentralen Wirkungsregion von Luther – wurde ich mit dem heutigen Bier dann aber doch fündig.

Zwar hat es außer der Nähe zur Lutherstadt Wittenberg nicht viel mit der Thematik zu tun, eignet sich aber aus anderen Gründen sehr gut für eine separate Vorstellung auf Bierjubiläum.

Gegründet nördlich von Magdeburg von Friedrich-Christoph Ritter ein Jahr nach der Reichsgründung 1872, blieb die Brauerei zunächst bis zur Verstaatlichung in der DDR im Familienbetrieb. Nach Zerfall des kommunistischen Regimes wurde die im Schutzgebiet Colbitzer-Letzlinger Heide gelegene Brauerei an die Nachkommen der damaligen Besitzer rückübereignet. Auch heute ist diese immer noch unabhängig.

Während dieser Werdegang für eine ostdeutsche Brauerei fast stereotypisch ist, überrascht ein wenig die Haltung zum Reinheitsgebot. Selten habe ich ein derart eindeutige Unterstützung dessen im Rahmen meiner Recherchen festgestellt. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums formulieren die Verantwortlichen es auf ihrer Website wie folgt:

„Die Traditionsbrauer der Colbitzer Heide-Brauerei halten ohne Wenn und Aber am Deutschen Reinheitsgebot fest und sind bereit, es mit aller Kraft gegen sämtliche Angriffe aus dem In- und Ausland zu verteidigen.

Seit vielen Jahren werden – besonders von ausländischen Brauereien – immer wieder Versuche gestartet, das Deutsche Reinheitsgebot zu Fall zu bringen. Zum Glück ist das bis zum heutigen Tag nicht gelungen, da die Brauer in unserem Land nahezu geschlossen hinter dieser Gesetzesvorschrift stehen.

Umso kritischer sind die Versuche anzusehen, dass das Reinheitsgebot aktuell auch in Deutschland speziell von einigen Craft-Bier-Herstellern als Produktionshindernis angesehen wird. Von dieser Meinung distanzieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit der Geschäftsleitung ganz entschieden.

Für die Colbitzer Brauer ist das Deutsche Reinheitsgebot unanfechtbar – verbunden mit dem Wunsch, dass 2516 sein tausendster Geburtstag genauso stolz gefeiert wird, wie die Traditionsbrauer in diesem Jahr sein 500-jähriges Bestehen begehen.“

Abgesehen, dass ich bezweifle, dass die deutschen Brauer nach wie vor nahezu geschlossen hinter der aktuellen Auslegung des „Reinheitsgebots“ stehen, ist es schon überraschend wie scharf hier gegen die (neuen) Craft-Bier-Brauer geschossen wird – zumal sich viele von ihnen ja auch an dieses halten. Sicher ist auch bei den moderneren Craftbieren nicht alles Gold was glänzt und viel Marketing vertuscht auch dort teils geringe Qualität, aber die Absicht der meisten anderen Craft-Brauer ist gutes, leckeres und natürliches Bier zu brauen. Deshalb kann ich die Kritik in dieser Form überhaupt nicht nachvollziehen. Es sollte auch nicht darum gehen das RHG zu Fall zu bringen, sondern es endlich zu dem zu machen, was es sein sollte: Einem Qualitätsmerkmal für gutes deutsches Bier. Und das ist unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht optimal möglich. Abgesehen von der überflüssigen Ungleichbehandlung von unter- und obergärigem Bier, nimmt kein Bier Schaden, wenn es anstatt mit chemischen Hilfsstoffen mit Rohstoffen aus der Natur in Kontakt gerät. Wichtig ist hier einfach nur die Qualität des Bieres sowie die Transparenz der Zutaten mit entsprechend klassifizierter Kennzeichnung (siehe Das Reinheitsgebot). Ich denke es wird zukünftig wichtig sein beide Parteien an einen Tisch zu holen und von allen Seiten Kompromissbereitschaft einzufordern. Weder eine komplette Abschaffung des sog. Reinheitsgebots noch eine Beharrung auf die aktuellen regulatorischen Grundlagen sind für eine gute Reform zielführend.

Nun aber zum Bier, welches zwar keine Stilbezeichnung mitbringt (die man bei der klaren Haltung zum RHG aber eigentlich erwarten müsste), aber wohl noch am ehesten als Export einzustufen ist. Gespannt bin ich inwiefern sich das verwendete weiche mineralarme Heidewasser fast ohne Restalkalität auf das Bier auswirkt.

Steckbrief

Stil. . . . . . . . . . . . . . . Export
Brauart
. . . . . . . . . . . untergärig
Zutaten. . . . . . . . . . . Gerstenmalz, Hopfenextrakt
Stammwürze
. . . . . .  11.25°P
Alkoholgehalt. . . . . . 4,9%
Herkunft. . . . . . . . . . . Colbitz
Erscheinungsjahr. . .
2016

Bewertung

  • Flaschendesign + Kronkorken:___5
  • Aussehen:____________________9
  • Geruch:______________________6
  • Geschmack:__________________7
Fazit

Geruch: leicht metallisch-industriell, würzig, leicht malzig, wenig grasig, recht matt
Geschmack: würzig, malzig, grasig, wenig Körper, mittelspritzig, ein wenig kräuterig, herber Abgang mit leichten Bitternoten
Gesamt: Sicher sind Geschmäcker verschieden, aber mein Fall ist das Edel nicht. Inwiefern das Heidewasser Einfluss auf den doch herb-würzigen Charakter hat, der permanent durch unangenehm bittere Noten begleitet wird, kann ich nicht beurteilen. Vor allem aber ist zu kritisieren, dass wer auf das Reinheitsgebot pocht kein Hopfenextrakt verwenden sollte. Das macht irgendwie unglaubwürdig, wenn es um die Qualität des Bieres geht. Aus diesem Grund kann ich heute in Summe auch nicht mehr als 6 Pkt. (4+) geben.

Weitere Infos zum Bier unter: http://www.colbitzer-heidebrauerei.de/index.php/colbitzer-edel.html.

 

Prost!


Veröffentlicht5. November 2017 von Markus (Chefredakteur) in Kategorie "Bierrezension