Juli 4 2018

363. Mikrobrauerei Heinenhof – Bierverkostung zur Eule 07/18

Heinenhof Nashy | Heinenhof Roter Korsar | Heinenhof Rheinische Felder | Heinenhof Schäselong | [költ]

Der letzte reguläre Biermontag in der Brühler Eule stand wieder mal ganz im Zeichen eines Gastbrauers, der durch den Abend führt. Nach Ale-Mania mit Fritz Wülfing (03/18) und der Lechenicher Blue Cat (05/18) war es für mich auch das erste Mal, dass ich auch dabei sein konnte. Gleichzeitig war es auch ein Novum in über 25 Biermontagen: Es gab ausschließlich Fassbiere und kein Bier aus der Flasche.

Angetreten war diesmal Michael Roeßgen von der Mikrobrauerei Heinenhof aus Pulheim-Orr – einem kleinen Gehöft nord-östlich von Pulheim. 2012 vom Profi-Radsport zurückgetreten, war Michael zunächst fünf Jahre im Düsseldorfer Landtag tätig. In dieser Zeit begann er mit dem Hobbybrauen und schloss sich den Kölner Bierhistorikern an, dem größten Hobbybrauverband der Region. Zur weiteren Spezialisierung seines angesammelten praktischen Wissens, vertiefte er auch die Theorie im Rahmen eines Biersommelier-Lehrgangs in Bamberg 2014. Im Laufe der Zeit reifte in ihm immer mehr der Gedanke eine eigene Brauerei zu eröffnen. Und so half ein weinig der Zufall weiter, als er von einem Freund erfuhr, dass der Heinenhof zur Verfügung steht. Zunächst waren allerdings noch einige Umbauten von Nöten, um hier auch alle gesetzlichen Bedingungen für den Braubetrieb zu erfüllen. Ende 2017 war es dann soweit und der erste Sud lief in die Fässer am Heinenhof. Die Zusammenarbeit mit den Bierhistorikern ist damit aber nicht beendet. Im Gegenteil, unter der Marke Craftbeer Creations Cologne (nicht zu verwechseln mit der Craftbeer Corner Coeln) kommt es zum Joint Venture der beiden bei der historische oder kreative Biere entwickelt werden. Dabei gilt stehts das Motto „So authentisch wie möglich, und den heutigen Genussgewohnheiten so angepasst wie nötig“.

Neben der Brauerei gibt es übrigens weiterhin einen Bauernhof mit Hofladen vor Ort.

Am mobilen Zapfhahn hatte Michael gleich 5 seiner aktuellen Köstlichkeiten mitgebracht:

Vor der eigentlichen Verkostung ging es erst einmal weiter im Kölsch-Projekt, bei dem Markus bis 2019 (da wird die Kölsch -Konvention 33 Jahre) alle Kölsch-Marken vorgestellt und durchprobiert haben will. Diesmal gab es jedoch „brauereibedingt“ kein Kölsch, sondern ein Wieß. Nach dem Bönnsch und dem Bonner Wieß von Ale-Mania ist es das dritte im Bunde, zeichnet sich jedoch noch durch eine (weitere) Besonderheit aus. Denn es ist nicht nur ein Wieß – also ein naturtrübes Kölsch – sondern auch noch kaltgehopft. Auf Basis des Heinenhofer Klassikers des Landkölner Wieß wurde somit das Nashy kreiert. Der Name  bezieht sich dabei auf die in Nashville entwickelten Hopfensorten Calypso, Lemondrop und Mosaic, welche zur Hopfenstopfung Verwendung fanden. Auf die Idee ist Michael während seines Aufenthaltes vor Ort im vergangen Jahr gekommen. Damit nicht  genug wurden hier nicht „herkömmliche“ Hopfenpellets verwendet, sondern sog. Kryo-Hopfen. Diese T45-Pellets sind im Gegensatz zu den verbreiteteren T90-Pellets hochkonzentriert und eben tiefgefroren. Zudem besteht hier die Möglichkeit durch Extraktion von Hopfenbestandteilen ausschließlich eine bestimmte Bittere zu erhalten und andere aromabildenden Bestandteile zu separieren. Richtigerweise wurde beim Nashy bemerkt, dass es sich durch die Kalthopfung streng genommen nicht mehr um ein Wieß handeln könnte. Da es hierfür explizit aber noch keinen Bierstil gibt, läuft das Bier inoffiziell auch unter der Bezeichung Colonial Pale Ale.

Persönlicher Eindruck:
– sehr zitrusfruchtig, heuartig, grasig, hopfig, kräuterig, Tee, Grapefruit
– trocken, süffig, hopfig-grasig-herb, dumpf-fruchtig, moderate Bittere

Bier #2 war der Rote Korsar – ein Saison-Bier. Der Name leitet sich hier ebenfalls von der verwendeten Hopfensorte ab: dem Barbe-Rouge-Hopfen aus dem Elsass. Interessant ist daneben auch die Gärtemperatur von 26°C und der hohe Endvergärungsgrad von 95%. Kreiert wurde das Bier zum Start der diesjährigen Spargel-Saison zu dem man das Bier sehr gut trinken kann.

Persönlicher Eindruck:
– würzig, hefig, bananig, spritzig, leicht grasig
– weich, hefig, bananig-fruchtig, leicht bitter, trocken, hellmalzig, (Karamell-S9süß, bitter süßer-Abgang

Weiter ging es mit einem Double IPA – die Rheinischen Felder. Im Stile eines West-Coast IPA soll der Name an den römischen Naturkundler Plinius den Älteren erinnern, der bei den Germanen im Rheinland den Hopfen erforscht hatte. Das Bier läuft übrigens unter dem C³-Label.

Persönlicher Eindruck:
– stark hopfig, leicht Karamell, mehr Gras als Frucht, kräuterig, bitter
– ölig, schwer bitter, süßlich , grasig-herb, unterschwellige Karamell-Süße

Im Anschluss folgte dann ein Bière de Garde. Früher auf nordfranzösischen Höfen gebraut, hat sich Michael und seine Historiker-Kollegen an eine Interpretation mit dem Namen Schäselong gemacht.

Persönlicher Eindruck:
– leicht röstig, dunkelmalzig, rotfruchtig, blumig
– ölig, dunkel, leicht röstig, dezent fruchtig, malzbetont, matt, karamell-fruchtiger Abgang, Restsüße von Honig

Das letzte Bier der Verkostung war die Süffige Sünde. Bereits beim Festival der Bierkulturen in Köln-Ehrenfeld vor 2 Wochen proBiert, war es nun zwar kein neues Bier mehr, aber erneut hochspannend und mein Lieblingsbier des Abends. Das Kölnische Knupp ist eines der Bierstile, die Michael auch im Rahmen seines Engagements der Kölner Bierhistoriker betreut. Es handelt sich  dabei um ein dunkles, untergäriges Starkbier, dass in Köln und Umland bis ins 19. Jahrhundert ähnlich beliebt war wie heute das Kölsch. Die Stärke in Verbindung mit einer recht hohen Süffigkeit führten jedoch auch zu immer häufigeren gewalttätigen Auseinandersetzungen von An- oder Betrunkenen. Dies veranlasste den Kölner Rat schließlich das Bier in Köln zu verbieten und nur noch das Brauen von obergärigem hellen Bier (also dem Wieß (als Vorläufer zum Kölsch)) zu gestatten. Dies hatte zwei Dinge zur Folge: Erstens verlagerten sich die Braustätten nun vor die Tore von Köln und zweitens war damit der Weg für den bis heute anhaltenden Kölsch-Siegeszug geebnet. Aus alter Tradition verbunden braut nun Michael genau dieses Knupp vor den Grenzen der Domstadt. Neben diversen Caramalzen, verwendet er zudem Schoko-, Rauch- und Kaffee-light-Malz sowie Röstgerste, Haferflocken und Süßholzwurzel.

Persönlicher Eindruck:
– sauer, frisch, dunkelmalzig, Kaffee, Zartbitter, wenig Rauch
– ölig, sehr dunkelmalzig, Schoko-Cappuccino, etwas Laktritz, etwas bitter, cremig, leicht rauchig-röstiger Abgang

Gesamtfazit:

Ein wirklich toller Abend mit einem sympathischen authentischen Brauer und durchweg (sehr) leckeren und frischen Bieren. Es ist immer wieder erstaunlich, wie eine Mikrobrauerei vielfältigere Qualität erreichen kann als eine große Industriebrauerei. Wer also mal im westlichen Kölner Umland unterwegs sein sollte, dem sei der Heinenhof sehr empfohlen. Jeden zweiten Freitag im Montag gibt es auch ein offenes Tasting mit Bierverkauf. Zum Glück hatte Michael auch noch ein paar Flaschen seiner Köstlichkeiten mitgebracht, sodass ich beim Landkölner Wieß zugeschlagen habe, welches ich in Kürze hier separat vorstellen werde.

Meine persönliche Gesamtwertung der Juli-Verkostung sieht dann wie folgt aus:

Im Anschluss an die „offizielle“ Verkostung hatte ich in professioneller Runde nun auch endlich die Gelegenheit das schon angekündigte költ zu proBieren. Hierzu wird es in Kürze einen Sonderbericht geben.

Vielen Dank also nochmals an Michael für den interessanten und leckeren Abend.
Mit dem Hinweis auf die nächste Verkostung am 6. August zum Thema „Tschechische Biere“ verabschiede ich mich in den Abend.

Weitere Informationen zur Eule, zu den Aktionen und zum Biersommelier Markus Weick unter: http://wordpress.99biere.de/

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Veröffentlicht4. Juli 2018 von Markus (Chefredakteur) in Kategorie "Bierverkostung