April 23 2016

Hintergrund & Historie

Die offiziell am 23. April 1516 in Ingolstadt erlassene Verordnung (mit dem Titel „Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll“) gilt als ältestes Lebensmittel- bzw. Verbraucherschutzgesetz der Welt.

Ihre drei wichtigsten Ziele waren:

  1. Festsetzung eines einheitlichen Mengenpreises zum Schutz vor überzogene Preiserhöhungen
  2. Schutz von Rohstoffen, welche für die Brotherstellung reserviert werden sollten, zur Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungsmittelversorgung
  3. Ausschluss von gesundheitsgefährdenden Zusatzstoffen

Obwohl es bereits zuvor  schon Herstellungsvorgaben auf lokaler Ebene gab (z.B. Augsburg 1156 oder München 1487) und die Verordnung somit kein singuläres Gebot darstellt, war dieses das erste landesweit geltende Gesetz zur Zubereitung vom Bier.

Gemäß des Originallauts der Verordnung:

„Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser / genommen unn gepraucht sölle werdn.“

sollte damit vor allem der oftmals verwendete Weizen zur Brotherstellung gesichert werden. Zudem wurde Hafer  für die Versorgung der Pferde benötigt, sodass dieser ebenfalls (zunächst und auch wegen seiner schlechteren brautechnischen Eigenschaften) ausgeschlossen wurde. Inoffiziell sollte es aber auch dem herzoglichen Hof langfristig das lukrative Recht des Weißbier-Brauens sichern.

Im Verlaufe der darauf folgenden Jahrhunderte wurde das Gesetz mehrere Male angepasst aber selten konsequent eingehalten und verfolgt. Nachdem die Gefahr von Hungersnöten weitgehend gebannt wurde, wurden auch wieder weitere Getreidesorten wie Weizen oder Roggen erlaubt. Differenziert nach unter- und obergäriger Brauart durften zwischenzeitlich sogar auch weitere Zutaten wie Kräuter, Salz oder Zucker (aber auch Obst und Gemüse) beigemischt werden. Selbst der Hopfen galt lange Zeit noch als ersetzbar. Aber erst nach der Erforschung der Hefe im 19. Jahrhundert wurde diese als letzte bis dato geltende Zutat hinzugefügt. Von einer 500-jährigen Gültigkeit der Verordnung zu sprechen ist also eigentlich schlichtweg nicht zutreffend.

Aufgrund der relativ späten Zusammenführung der vielen deutschen Fürsten- und Herzogtümer sowie Königreiche zum deutschen Kaiserreich, erlang das Reinheitsgebot erst 1909 im Zuge des neuen Biergesetzes deutschlandweit Gültigkeit. Der Name „Reinheitsgebot“ wurde im Übrigen erstmals 1918 erwähnt und erst in den 1950ern populär, nachdem sich die deutsche Brauwirtschaft zunehmender Konkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt sah. So wollte man mit dieser Marke die besondere Qualität des deutschen Bieres hervorheben, was jedoch aufgrund der damaligen wie heutigen Gesetzeslage und Brauprozesse nicht mehr als Marketing und Protektionismus war.

Heutzutage dürfen laut aktueller Gesetzeslage (u.a. gemäß des vorläufigen deutschen Biergesetzes von 1993) nur noch Malz, Hopfen(-extrakt), Hefe und Wasser verwendet werden. Die Verwendung von Farb- oder Süßstoffen ist damit zumindest für untergärige Biere ausgeschlossen. Obergärigen Bieren können je nach Gattung hingegen weiterhin (solche) Zusatzstoffe enthalten. Zudem ist hier neben der Verwendung von Gersten- auch Weizen-, Roggen- und Hafermalz erlaubt. Darüber hinaus gibt es diverse (historische) Ausnahmen, die hiervon abweichen. Insbesondere die Verwendung von chemischen Hilfsstoffen (wie Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP)) wird durch das Gesetz jedoch nicht abgedeckt. Im Gegenteil: Hunderte dieser „kleinen unnatürlichen Helfer“ sind zum Bierbrauen zugelassen. Diese befinden sich zwar offiziell nicht mehr im Endprodukt, werden dem Bier aber während des Brauprozesses zugesetzt. Andere natürliche Zutaten wie eben Kräuter oder Früchte sind dagegen heute zum gewerblichen Bierbrauen grundsätzlich in Deutschland verboten. Dies zeigt alleine schon die Diskrepanz zwischen Gesetzgebung und dem Ziel eines qualitativ hochwertigen Bieres zu brauen auf. Auch die Pasteurisierung oder andere Verfahren der Qualitätsbeeinflussung dürfen in diesem Zusammenhang skeptisch gesehen werden.

Weitere Informationen zum Reinheitsgebot auch unter:

http://reinheitsgebot.de/startseite/

http://www.private-brauereien.de/de/reinheitsgebot/index.php

http://www.taz.de/Zum-Start-der-Gruenen-Woche/!5265757/

http://www.bier1516.bayern/biergeschichten.html

http://www.online-beilage.idowa.de/beilagen/archiv/20160122_reinheitsgebot/index.html#1

https://www.hopfenhelden.de/reinheitsgebot-jubilaeum-guenther-thoemmes/

Relevante Gesetzesgrundlagen:

Vorläufiges Biergesetz: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl193s1399.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl193s1399.pdf%27%5D__1524206841250

Biersteuergesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/bierstg_2009/BJNR190800009.html

Bierverordnung: http://www.gesetze-im-internet.de/bierv/BJNR013320990.html

Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes: https://www.gesetze-im-internet.de/bierstdb/BJNR701350931.html