März 2 2018

Der große Bierjubiläum Discount-Craft-Bier-Test

Morland Old Golden Hen | Argus 11 Premium | Steambox Flunnel Blower | The Crafty Brewing Company Irish Stout | John Malcolm White Stout | John Malcolm IPA | Perlenbacher Maltos IPA | Perlenbacher Maltos Whisky Malt | Perlenbacher White Stout | Perlenbacher Patronus

Letztes Wochenende war es endlich so weit: der große Bierjubiläum-Discount-Craft-Bier-Test stand an. Zu diesem Anlass habe ich mich nicht lumpen lassen und bin nach Osnabrück gefahren, um mit Alex und Nils zehn sogenannte Craftbiere von Lidl und REWE zu proBieren. Seit etwa einem Jahr nämlich sind die Discounter (allen voran eben Lidl) und auch Supermärkte (wie REWE) auf den „Craftbier-Zug“ aufgestiegen und bieten inzwischen regelmäßig Bier abseits der Fernseh- und Billig-Eigenmarken an. Zwar muss man danach immer noch etwas suchen und auch zum richtigen Zeitpunkt im Markt sein, allerdings scheint sich eine Zielgruppe gefunden zu haben, für die deren Absatz gelingt. Gerade als Bierblogger mit Erfahrung von über 1.000 getesteten Bieren war es deshalb für mich hoch interessant zu proBieren, wie diese Discount-Interpretationen von Craftbier abschneiden können. Getestet wurden dabei die vier Kategorien Flasche, Optik, Geruch und Geschmack, bei denen jeweils bis zu 5 Punkte vergeben werden konnten. Angemerkt sei zudem, dass es sich bei den hier getesteten Bieren nicht zwingend um wirkliches Craft-Bier im eigentlichen Sinne handelt, sondern entweder Eigenmarke des Unternehmens ist und/oder per Lohnbrauverfahren in größeren Brauereien abgefüllt wird.

Bierfacts:

  • Old Golden Hen:
    – obergärig; 4,1%
    – „refreshing Craftbeer“, welcher Bierstil wird aber nicht genannt
    – mit Hopfen aus Tasmanien & Glukosesirup gebraut
    – von der Westgate-Brauerei & Greene Brewing aus dem britischen St. Edmunds
    – die Marke Morland gibt es schon seit 1711, das Bier seit 2011
    – trotzdem wohl noch eines der authentischsten Biere des Abends
    – Gold-Gewinner der Monde-Selection
    – Flasche: 1,5 Pkt. / Optik: 3 Pkt. / Geruch: 3 Pkt. / Geschmack: 4 Pkt.
    – Gesamt: ★★★☆☆ (M)
    https://www.oldspeckledhen.co.uk/our-beers/old-golden-hen
  • Argus 11 Premium:
    – untergärig; 4,8%
    – tschechisches Pilsner aus Liberec
    – mit Hopfenerzeugnissen
    – von der Pivovary Vratislavice für die HOLS a.s. gebraut
    Argus Premium wird ausschließlich mit tschechischen Rohstoffen gebraut – Bergwasser, Malz aus der eigenen Mälzerei, Saazer Hopfen und eigene Bierhefe.
    – deshalb auch noch verhältnismäßig authentisch
    – Flasche: 1 Pkt. / Optik: 1 Pkt. / Geruch: 2 Pkt. / Geschmack: 1 Pkt.
    – Gesamt: ★☆☆☆☆ (A)
    https://www.ratebeer.com/beer/argus-11-premium-original/516657/
  • Funnel Blower:
    – obergärig; 4,5%
    – dark Vanilla-Porter
    – widersprüchliche Angaben hinsichtlich der tatsächlichen Verwendung von Vanille
    – gebraut von der Box Steam Brewery aus dem britischen Wiltshire, die bis ins Jahr 1920 zurückgeht und 2006 gerelaunched wurde
    – mit Weizenrohfrucht
    – deshalb ebenfalls grundsätzlich authentisch
    – Flasche: 2 Pkt. / Optik: 4 Pkt. / Geruch: 5 Pkt. / Geschmack: 3 Pkt.
    – Gesamt: ★★★★☆ (N)
    http://boxsteambrewery.com/
  • CBC Irish Stout:
    – obergärig; 4,5%
    – dry Stout
    – laut ratebeer eine (Billig-)Version des McGargles Unlce Jim’s Stout
    – gebraut von der 2013 gegründeten Rye River Brewing aus dem irischen Celbridge
    – gerade aufgrund der Herkunfts- & Identitätsverwirrung ein Stereotyp für Discount-Täuschung
    – Flasche: 4 Pkt. / Optik: 4 Pkt. / Geruch: 4 Pkt. / Geschmack: 4 Pkt.
    – Gesamt: ★★★★☆ (N)
    https://ryeriverbrewingco.com/mcgargles-uncle-jims-stout/
  • John Malcolm White Stout:
    – obergärig; 7,6%
    – „white“ Stout
    – Entwicklungssud 01/2017
    – eines von zwei REWE-Bieren
    – zwar „Original-Abfüllung“ (was das auch immer fr ein Qualitätsmerkmal sein soll), aber anhand der Flasche nicht erkennbar, wer das Bier gebraut hat
    – mit dem Hinweis des Braumeister-Namens Heiko Bloch, kann man jedoch rekonstruieren, dass es in der Eichbaum-Brauerei produziert wird
    – deshalb vermutet ratebeer, dass es sich um das gleiche Produkt handelt wie das Maltos White Stout (s.u.), da Eichbaum auch die Perlenbacher-Reihe für Lidl braut
    – Flasche: 3 Pkt. / Optik: 2 Pkt. / Geruch: 3 Pkt. / Geschmack: 3 Pkt.
    – Gesamt: ★★★☆☆ (A)
  • John Malcolm IPA:
    – obergärig; 7,8%
    –  India Pale Ale
    – Entwicklungssud 03/2017
    – das andere der beiden REWE-Bieren
    – mit den Hopfen Cascade & Yello Sub gebraut
    – weitere Infos s.o.
    – Flasche: 3 Pkt. / Optik: 4 Pkt. / Geruch: 4 Pkt. / Geschmack: 3 Pkt.
    – Gesamt: ★★★☆☆ (M)
  • Maltos White Stout:
    – obergärig; 7,6%
    – „white“ Stout
    – wie oben schon erwähnt vermutlich das gleiche Produkt wie das John Malcolm White Stout
    – vergleicht man die Produktreihe der Brauhaus-Edition der Eichbaum-Brauerei (wo das Bier produziert wird) fällt auf, dass sie gänzlich identisch ist mit den drei Maltos Bieren im Test
    – daher auch hier: Authentizität ungenügend
    – durch das etwa  2-monatige Überschreiten des MHD entstand wohl schon ein erheblicher Qualitätsabfall
    – Flasche: 4 Pkt. / Optik: 3 Pkt. / Geruch: 3 Pkt. / Geschmack: 2 Pkt.
    – Gesamt: ★★★☆☆ (N)
    http://www.eichbaum.de/Sortiment_Brauhaus%20Edition.html
  • Maltos Whiskey Malt:
    – obergärig; 7,5%
    – Scotch-Ale
    – mit den Hopfen Herkules & T’n’T gebraut
    – bzgl. Herkunft und Authentizität s.o.
    – mein schlechtestes Bier des Abends
    – Flasche: 4 Pkt. / Optik: 3 Pkt. / Geruch: 1 Pkt. / Geschmack: 1 Pkt.
    – Gesamt: ★☆☆☆☆ (M)
    http://www.eichbaum.de/Sortiment_Brauhaus%20Edition.html
  • Maltos IPA:
    – obergärig; 7,8%
    – India Pale Ale
    – mit den Hopfen Cascade & Amarillo gebraut
    – bzgl. Herkunft und Authentizität s.o.
    – vermutlich ebenfalls das gleiche Produkt wie das John Malcolm IPA (s.o.)
    – Flasche: 2 Pkt. / Optik: 3 Pkt. / Geruch: 2 Pkt. / Geschmack: 2 Pkt.
    – Gesamt: ★★☆☆☆ (A)
    http://www.eichbaum.de/Sortiment_Brauhaus%20Edition.html
  • Perlenbacher Patronus:
    – obergärig; 5,5%; 12.3°P
    – Weißbier
    – vermutlich das Billig-Pendant zum Eichbaum-Hefeweizen
    – von allen dreien proBiert und bewertet
    – Flasche: 4-2-1 Pkt. / Optik: 4-4-3 Pkt. / Geruch: 3-3-4 Pkt. / Geschmack: 2-2-4 Pkt.
    – Gesamt: ★★★☆☆ (M-A-N)
    http://www.eichbaum.de/Sortiment_Bierklassiker.html

Im Anschluss an die „offizielle“ Verkostung haben wir uns dann noch ein paar Biere aus meinem gewonnenen und verdienten Kalea-Beer-Tasting.Club Abos vorgenommen:

Fazit:

Insgesamt lässt sich festhalten, dass günstig nicht in jedem Falle auch billig sein muss. Das ein oder andere Discount-Bier hat uns durchaus überzeugt. Vor allem aber die sehr große Intransparenz hinsichtlich der Bierherkunft ist mehr als ärgerlich und bestätigt nur das Klischee des Discount- oder Supermarkt-Marketing. Auch wenn hinter den Eigenmarken oder Discount-Marken namhafte Brauereien stecken mögen, so grenzt es meiner Ansicht nach an Verbrauchertäuschung diese Herkunft nicht aufzuzeigen. Auf die Spitze wird dies getrieben, wenn zwei unterschiedliche Marken für zwei Märkte gebraut werden, die beide offensichtlich identisch sind und zudem wohl auch deckungsgleich mit dem Standard-Bier der Brauerei sind.  Dies trifft zwar nicht auf die zuerst beschriebenen Biere zu, deren Herkunft noch vergleichsweise authentisch ist, trotzdem muss man sich schon fragen, wie man zu Preisen von unter einem Euro pro Flasche noch einen gewissen Qualitätsanspruch wahren kann. Bemerkbar machte sich dies insbesondere bei Überschreiten des MHDs, das schnell zu Geschmackseinbußen führt, während es bei anderen qualitativ höherwertigen Craftbieren (je nach Bierstil) eher noch zu einer Weiterentwicklung des Bieres führt. Alles in allem ist es natürlich aber auch naiv zu glauben, man könnte es bei Discount-Craft-Bier wirklich mit handwerklichem Bier im Sinne einer Manufaktur zu tun haben. Vielmehr entspricht es eher der immer noch weit verbreiteten Annahme, dass Craftbier gleich anglo-amerikanische Bierstile ist und sich nur deshalb von den deutschen Fernsehbieren unterscheidet. Leider wird mit solchen Bieren die falsche Annahme nur noch weiter verbreitet und bestärkt. Deshalb: Für einen Abend war es wirklich mal interessant zu schmecken, wie sich die Discount-„Craft“-Biere schlagen, aber darüber hinaus bin ich froh wieder auf Biere des (Online-)Fachhandels zurückgreifen kann.

Prosit & guten Abend! ?


Veröffentlicht2. März 2018 von Markus (Chefredakteur) in Kategorie "Bierverkostung", "Veranstaltung